Handwerk
Tarifflucht verhindern

Im Handwerk entziehen sich viele Unternehmen der Tarifbindung. Dabei könnten sie im Wettbewerb um Fachkräfte gerade mit fairen Arbeitsbedingungen punkten.

6. November 20206. 11. 2020


Für den Arbeitgeber schien alles im Lot zu sein. Langer E-Technik hatte sich tariflich gebunden. Allerdings an die Christliche Gewerkschaft Metall - die Lohnstruktur, die das mit sich brachte, hätte kaum unchristlicher sein können. Das wollten sich die rund 150 Beschäftigten nicht länger gefallen lassen: Sie organisierten sich und holten die IG Metall zur Unterstützung hinzu. Nach zehn mühevollen Verhandlungsrunden und einem Warnstreik ist es 2018 tatsächlich gelungen, in dem Vareler Unternehmen einen Haustarifvertrag auf IG Metall-Niveau abzuschließen. Langer E-Technik drohte zum Negativbeispiel eines Arbeitgebers in der Branche zu werden. Nun ist das Gegenteil der Fall. „Das Beispiel hat deutlich gezeigt: Wenn die Beschäftigten mitziehen, können wir viel erreichen“, sagt Friedhelm Ahrens, Tarifsekretär für das Handwerk bei der IG Metall Küste.

Die Tarifflucht ist branchenübergreifend ein Problem. Im Handwerk ist sie seit Jahren bestimmendes Thema für die IG Metall. Auch in der größten Handwerksbranche, dem Kfz-Handwerk. Dort sind gerade noch 77 Betriebe unter mehreren tausend tarifgebunden. Die IG Metall hatte deshalb 2015 die Kampagne „AutohausFAIR“ gestartet.

Die war zunächst auf Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern begrenzt. Die Kampagne war aber so überzeugend, dass sie in den vergangenen vier Jahren bundes- weit ausgerollt wurde. Die anderen Bezirke haben „AutohausFAIR“ übernommen.

 

Vorfahrt für Fairness

Das Besondere an „AutohausFAIR“ ist, dass in der Kampagne nicht die schwarzen Schafe der Branche angeprangert, sondern im Gegenteil die vorbildlichen Autohäuser hervorgehoben werden. Die IG Metall verleiht fairen Autohäusern Siegel, mit denen sie für sich werben können. Als „fair“ wird ein Autohaus ausgezeichnet, das tarifgebunden ist, einen Betriebsrat hat und ausbildet.

Ein Autohaus wollte im Berichtszeitraum den Weg in die entgegengesetzte Richtung nehmen. FCA Motor Village in Hamburg hatte geplant, aus der Tarifgemeinschaft auszutreten. Die Belegschaft hat sich dagegen gewehrt: Kolleginnen und Kollegen sind in die IG Metall eingetreten, es gab Protestaktionen. Schließlich hat der Arbeitgeber den Austritt zurückgenommen. Das war ein echter Erfolg.


Geld ist  nicht alles

Auch in den Tarifrunden der vergangenen Jahre hat die IG Metall viel erreicht. 2017 gab es eine intensive Tarifrunde mit einem bundesweiten Aktionstag am 1. Juni 2017 und Warnstreiks an verschiedenen Orten. Zum Warnstreik in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern konnten 1100 Beschäftigte mobilisiert werden. Das war ein großer Erfolg, der auch neue Mitglieder dazu motiviert hat, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Die zweite Tarifrunde 2019 haben die Beschäftigten ebenfalls erfolgreich mit Aktionstagen und Warnstreiks begleitet. In Mecklenburg-Vorpommern konnte der bundesweit höchste Tarifabschluss erzielt werden.

Die IG Metall Küste hat in den Handwerksbranchen viele Tarifverhandlungen geführt: Kfz, Holz und Kunststoff, Sanitärhandwerk, metallverarbeitendes Handwerk, Modell-Formbauerhandwerk, Parkett- und Bodenleger, Tisch- lerhandwerk, Raumausstatterhandwerk. Doch Geld ist nicht alles, was für die Beschäftigten zählt. Auch faire Arbeitszeiten und Entwicklungschancen gehören zu einem guten Arbeitsplatz dazu. Die Beschäftigten wünschen sich auch Weiterbildungsangebote, die einen beruflichen Aufstieg ermöglichen. Dafür hat sich die IG Metall Küste am dreijährigen Projekt „Zukunftsinitiative modernes Tischlerhandwerk“ beteiligt, kurz genannt: ZIMT.

ZIMT ist ein Kooperationsprojekt der Tischlerfachverbände aus Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Schleswig-Holstein sowie der IG Metall-Bezirke Küste und Nordrhein-Westfalen. Ziel war es, den Qualifizierungsbedarf in den Tischlerbetrieben zu ermitteln und gemeinsam mit den Arbeitgebern ein Konzept zur Weiterqualifizierung zu entwickeln. Gerade das Tischlerhandwerk ist von kleinen Betrieben mit 6-7 Beschäftigten geprägt. Fortbildung findet da eher unsystematisch statt. ZIMT wurde drei Jahre lang durch das Bundesprogramm „Fachkräfte sichern“ gefördert, um das zu ändern.

Entwickelt wurden drei Weiterbildungsmodule. Tischlerinnen und Tischler können sich nun zu Projektbetreuerinnen und Projektbetreuer, Werkstattleiterinnen und Werkstattleitern und Montagefachkräften fortbilden. Dafür wurden inhaltliche Standards definiert. Das Angebot wird sehr gut angenommen. Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste: „Die ZIMT-Ergebnisse verdienen eine bundesweite Umsetzung.“