Bitte aktiviere JavaScript in Deinem Browser, um die volle Funktionalität der Website nutzen zu können.

Historie der Arbeitergeschichte und der Arbeit in der Region
Geschichte der Arbeiter­be­wegung in Bremerhaven

1920 – 1932

1920

  • Am 25. Februar bildet sich der Handwerkerbund Wesermünde e.V., dem Handwerker verschiedener Innungen aus dem bremischen Bremerhaven, den preußischen Städten Geestemünde und Lehe und aus den Landkreisen Geestemünde und Lehe angehören. Dieser Handwerkerbund ist ein Vorläufer der 1936 geschaffenen Kreishandwerkerschaft.
  • Die Stadtgemeinden Bremerhaven, Geestemünde und Lehe und das Institut für Seefischerei geben Notgeld heraus.
  • Am 26. Juni stürmt in allen Unterweserorten die Bevölkerung die Geschäftshäuser, um gegen den Preiswucher zu protestieren.
  • Die Metallarbeiter außerhalb der Werften fordern im Dezember die Anpassung ihrer Löhne an diejenigen in den Schiffbaubetrieben. Von 508 Beschäftigten nehmen 208 an dem Ausstand teil und erreichen in 14 Tagen, dass ihre Löhne tatsächlich angepasst werden.
  • Der "Technische Betrieb des Norddeutschen Lloyd" wird zu einer selbständigen GmbH umgewandelt.
  • Die unmittelbare Nachkriegszeit bringt für die Seebeckwerft eine Flaute auf dem Neubausektor. 1919 kann lediglich der Fischdampfer Capella an die Hochseefischerei-Gesellschaft "Nordstern" übergeben werden. 1920 folgt die baugleiche Venus; ansonsten beschäftigte man sich in diesem Jahr, abgesehen von der Schiffsreparatur, mit dem Weiterbau der im Krieg begonnenen HDSG-Frachter Ibicuhy und Argentina sowie dem Umbau des Segelschiffes "Adolf". Der Seebeckwerft gelingt es trotz ihres modernen Betriebes nicht, in ähnlicher Weise wie andere Schiffbaubetriebe vom Wiederaufbau der deutschen Handelsschiffahrt zu profitieren.



1921

  • Auf der Tecklenborg-Werft streiken 212 von 390 Nietern und Bohrern. Sie fordern vergeblich eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Der Ausstand bricht nach 3 Tagen zusammen.
  • Am 20. April zieht sich Georg Seebeck aus dem Vorstand der Seebeck-Werft zurück.
    Aufgrund der schwankenden Auftragslage sind auch die Beschäftigtenzahlen in diesen Jahren sehr unbeständig. In diesem Jahr arbeiten ca. 2.200 Beschäftigte auf der Seebeck-Werft.
    Seebeck, nach Tecklenborg die größte Neubauwerft an der Wesermündung, kann in diesem Jahr nur einen Anteil von 0,8% am deutschen Schiffbau erringen.
  • Der Handwerkerbund Wesermünde erwirbt 1921 das repräsentative Gebäude Kaiserstraße 1 (jetzt: Bürgermeister-Smidt-Straße) und nutzt es (bis 1971) als "Haus des Handwerks".
  • In der ersten Bremer Verfassung von 1919 wurde bereits die Gründung von Arbeiter- und Angestelltenkammern aufgenommen. In dieser wurde auch begründet, warum für Angestellte und Arbeiter getrennte Kammern vorgesehen sind: Die Angestelltenverbände stehen einer Zusammenlegung aufgrund von ideologischen Differenzen ablehnend gegenüber.
    Zwei Jahre später, am 08. Juli 1921, wird das Gesetz für die Angestellten- und Arbeiterkammer schließlich verabschiedet und am 4. Dezember werden die Wahlen zu den neugebildeten Bremer Arbeiter- und Angestelltenkammern durchgeführt.
  • Wegen steigenden Mangels an Kleingeld drucken Gemeinden, Institutionen und auch Privatfirmen in den Unterweserorten Notgeld. 1924, nach dem Ende der Inflation, wurde das gesamte Notgeld ungültig.
  • Der "Technische Betrieb des Norddeutschen Lloyd" beteiligt sich an einer Abwrackgemeinschaft, der unter anderem die Stahlwerke Krupp, Hoesch, Stumm, Mannesmann sowie die Schrotthandelsgesellschaft Max Stern aus Gelsenkirchen angehören. Ab 1922 wurden neben und im Kaiserdock I die Abwrackarbeiten durchgeführt. Frankreich und Russland lieferten ausgediente Kriegsschiffe. Der französische Panzerkreuzer La Justice wurde als erstes demontiert und verwertet. Die Abwrackgemeinschaft gehörte zu den größten des Landes und hatte in den kommenden Jahren, bis die Werft 1937 wieder ausstieg, 15 Schiffe abgewrackt.



1922

  • Beim "Technischen Betrieb des Norddeutschen Lloyd" arbeiten ca. 2400 Beschäftigte.
  • Auf der Seebeck-Werft arbeiten ca. 750 Beschäftigte.



1923

  • Seit März zogen die Fischdampferreeder nach und nach die Hälfte der Flotte aus der Fahrt und entließen die Besatzungen. Mit dieser Maßnahme hoffte man sich entsprechend gefügige- weil arbeitslose- Mannschaften für die Annahme neuer- schlechterer- Verträge geschaffen zu haben. Anschließend kündigte der "Wirtschaftliche Verband der deutschen Hochseefischer" den Tarif zum 1. Mai. Der vorgelegte neue Entwurf sollte wesentliche Verschlechterungen bringen. Nach ergebnislosen Verhandlungen kam es zu einem Schiedsspruch, den die Mannschaften ablehnten, weil er ihnen immer noch Einkommensverluste von 20-30% brachte.

    Am 23. Mai kam es nach der Ablehnung des Schiedsspruches durch die Seeleuteorganisation zum Streik und vom 26. Mai an lief von Bremerhaven und Geestemünde kein Fischdampfer mehr aus.
    Die Streikfront war schon deshalb geschlossen, weil auch die Fischdampfer-Kaptäne die ihnen zugedachte Prozentminderung von 6 auf 4% nicht widerspruchslos hinnehmen wollten.
    Ein neuer, am 25. Juli ergangener Schiedsspruch ergab dann einen nahezu vollen Erfolg der Besatzungen.
  • Am 29. September eröffnet Der „Arbeiter- Turn- und Sportbund“ seinen Sportplatz in Speckenbüttel.
  • Die Tecklenborgwerft erholte sich von den Folgen des Ersten Weltkriegs relativ schnell und arbeitete zwischen 1919 und 1923 wieder mit Gewinn.
  • Auf der Seebeck-Werft arbeiten ca. 1.600 Beschäftigte. Aber vom Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte kann die Werft nicht profitieren und auch der Mangel an Aufträgen kleinerer und mittlerer Tonnage macht sich für die Werft negativ bemerkbar. Die Hochseefischerei bekommt einen Teil ihrer Fischdampfer von der Kriegsmarine wieder, so daß die Reeder wenig geneigt waren, neue Fischdampfer in Auftrag zu geben. Im Jahr 1923 hat die Seebeckwerft nur einen einzigen Fischdampfer herzustellen.



1924

  • Am 27. Februar werden an der deutschen Nord- und Ostseeküste über 40.000 Werftarbeiter von den Unternehmern ausgesperrt, da sich die Arbeiter weigerten, 54 statt 48 Stunden zu arbeiten. Nach 13 Wochen muss die Gewerkschaft den Arbeitskampf aufgeben und die 54-Stunden-Woche akzeptieren.
  • Auf den Werften treten im März 3.672 von insgesamt 3.700 Beschäftigten in einen Streik, der 14 Wochen dauert und der von den Verbänden der Metallarbeiter und der Holzarbeiter, aber auch von den Christlichen Gewerkschaften organisiert wird. Die Unternehmer reagieren mit Aussperrung. Es geht um die Abwehr einer Verlängerung der Arbeitszeit und einer Lohnkürzung. Der Arbeitskampf endet im Juni mit einem Teilerfolg.
  • Werftenkrise.
  • Mit der Beendigung der Inflation nahm die Arbeit beim "Technischen Betrieb des Norddeutschen Lloyd" ab und es erfolgten Entlassungen. Die Zahl der Beschäftigten sank auf rund 500.
  • Die Rickmerswerft wird aus wirtschaftlichen Gründen am 01. März stillgelegt.
  • Am 18. Oktober werden Geestemünde und Lehe zur Stadt Wesermünde vereinigt.
  • Am 15. November übernimmt der Unternehmer Max Sieghold eine kleine Schmiede und Schlosserei und baut die Firma zu einem Werftbetrieb aus, der insbesondere Fischdampfer repariert und baut.
  • In Wesermünde sind 18 Reedereien, 127 Firmen des Fischgroßhandels und 42 Firmen der Fischindustrie ansässig. 155 Fischdampfer sind hier beheimat; insgesamt laufen 225 Fischdampfer regelmäßig den Fischereihafen an.
  • Die „Städtische Sparkasse Wesermünde“ wird gebildet.
  • Die Seebeck-Werft erwirtschaftet im Geschäftsjahr 1924 einen Gewinn von 44.662,15 RM.



1925

  • Mitte des Jahres beginnt man auf der Seebeck-Werft mit dem Bau eines Frachtdampfers, der aber mit eigenen Finanzmitteln nur zur Hälfte fertiggestellt werden kann. Die Werftleitung wendet sich deshalb an den Magistrat der Stadt Bremerhaven, um ein hypothekarisch gesichertes Darlehen von 300.000 Mark zu erhalten. Sie beklagt dabei, daß die Unterweserorte bei offenem Wasser veröden, seitdem sich der Übersee-Verkehr nach der Weservertiefung auf die Stadt Bremen konzentriere. Reparaturaufträge, die für eine leidliche Beschäftigung sorgen könnten, sind deshalb seltener geworden.

    Nach dem Ende der Inflation verschlechtert sich die Schiffbausituation allgemein. Bei der Seebeckwerft stehen 1924 lediglich zwei Fischdampfer auf der Neubauliste. Im ersten Halbjahr 1925 laufen zwei weitere Fischereifahrzeuge und ein Schlepper vom Stapel. Der Mangel an kostendeckenden Aufträgen führt im Geschäftsjahr 1924/25 zu einem Verlust von rund 20.000 Mark.

    Die Werften leiden im allgemeinen unter einer zu geringen Auslastung, sie sind gezwungen, auch Aufträge hereinzunehmen, die weder kostendeckend noch gewinnbringend sind. Unter dem Druck, die Beschäftigung ihrer Belegschaften zu sichern und eine halbwegs akzeptable Kapazitätsauslastung zu gewährleisten, unterbieten sie sich gegenseitig, was zu niedrigen Preisen und roten Zahlen führt.

    In führenden Schiffbaukreisen denkt man daher über Rationalisierungs- und Fusionspläne nach, um einerseits Kapazitäten abzubauen und andererseits durch Zusammenschlüsse die Preise bestimmen zu können. Im Bereich der Reedereien macht der Norddeutsche-Lloyd Ende 1925 den Anfang, in dem er drei andere Reedereien aufkauft. Ende 1926 werden drei Reederei-Linien an die HAPAG angeschlossen.

    Parallel dazu kommt es in Hamburg und Kiel zu Werftstillegungen und Fusionen. Sie haben den Sinn, zwei voneinander unabhängige Werften in einer krisenhaften Situation zu stützen. Dagegen versucht Bankier Schröder von Bremen aus, einen erheblichen Teil des deutschen Schiffbaukapitals unter seine Regie zu bekommen. Indem Schröder sich die Vulcan-Werke in Hamburg und die Tecklenborg-Werft in Bremerhaven einverleibt, soll zielstrebig ein gigantischer Schiffbaukonzern nationalen Ausmaßes geschaffen werden, dessen Anfang die Deschimag Ende 1926 war.
  • Für den Umschlag von schweren Gütern im Kaiserhafen III und im Verbindungshafen werden fünf Kräne von je 7,5 t Tragfähigkeit aufgestellt.
  • Bremerhaven wird Umschlaghafen für den Bananenimport.
  • Mit der Vollendung des Seedeiches und der Fertigstellung der Doppelschleuse wir am 05. November die geplante Erweiterung des Fischereihafens abgeschlossen.
  • In diesem Jahr fährt die erste Omnibuslinie in Wesermünde. Die erste Strecke führt von Geestemünde
    nach Schiffdorf. Vorher fuhren dort nur Pferdefuhrwerke.
  • Lehe scheidet aus der Gasgemeinschaft mit Bremerhaven aus und wird nun vom Gaswerk Geestemünde versorgt.
  • In diesem Jahr nehmen die 1921 gegründeten Arbeiter- und Angestelltenkammern ihre Regeltätigkeit auf. Hierzu gehören vor allem gutachterliche Aufgaben und Eingaben zu den Themen Arbeitslosenfürsorge, Arbeitszeitregelungen und Arbeitsschutz. Auch die Bildungsarbeit nimmt ein großes Spektrum ein. Darüber hinaus ist vor allem die Arbeiterkammer in der Rechtsberatung sehr aktiv.
  • Die Stadt Bremerhaven hat 23.896 Einwohner. Wesermünde zählt 72.065 Einwohner.



1926

  • Auf dem ehemaligen Rangiergelände des Zollinlandbahnhofs wird ein Sportplatz gebaut. Dieser wird später zum Stadion als Zollinlandplatz ausgebaut und der „Turn- und Sportverein Bremerhaven 93“ trägt dort seine Spiele aus.
  • Am Nordende des Kaiserhafens III entsteht eine Anlage für den Bananenumschlag.
  • Bau des Verbindungskanals zwischen Altem und Neuem Hafen.
  • Bau des städtischen Fischindustriegebäudes.
  • Beginn der Erweiterung des Kaiserhafens II.
  • Die Situation auf der Seebeck-Werft, auf der zur Zeit ca. 260 Beschäftigte arbeiteten, blieb weiterhin angespannt. Die vorhandenen Anlagen und Gebäude werden im Verhältnis zur Vorkriegszeit erheblich geringer oder überhaupt nicht genutzt. Sämtliche Werfthelgen und Baudocks, die Montagehallen I und II sowie die Schiffbauhallen stehen leer, alle übrigen Arbeitsstätten sind nur mit einigen Leuten besetzt. Die Belebung des Fischdampferbaus führt dann aber ab 1926/27 wieder zu einer profitablen Produktion. Eine Reihe technologischer Innovationen sichern der Werft eine relativ gute Konkurrenzposition gegenüber anderen deutschen Werften (Heißdampf statt Naßdampf beim Schiffsantrieb, Lentzventilsteuerung, Hochdruckdampfmaschinen). Auf der am 28. Juni in Bremen stattgefundenen 54. ordentlichen Hauptversammlung der Actien-Gesellschaft "Weser" wurde im Bericht des Vorstandes betont, daß die Werft mit einem Verlust von 6,8 Mio. RM abschließe.
  • Unter dem Druck der Werftenkrise und auf Betreiben des Bremer Bankiers J.F.Schröder war die Werft "Johann C. Tecklenborg AG" gezwungen, sich am 28. Dezember mit der Bremer Werft "AG Weser" zur "Deschimag" (Deutsche Schiff- und Maschinen Aktiengesellschaft) zusammenzuschließen. Zu diesem Zeitpunkt sind 2182 Arbeiter und rund 300 Angestellte auf der Werft beschäftigt.

    Durch Angliederung der Vulcan-Werke in Hamburg und der Werft Joh. C. Tecklenborg A.G. in Wesermünde an die A.G. "Weser" entstand die Deschimag somit als erster Großkonzern der deutschen Schiffbauindustrie, mit dem Verwaltungshauptsitz in Bremen. Drahtzieher dieser ganzen Fusions- und Konzentrationsbestrebungen war der Bremer Bankier J.F. Schröder. Er hatte sich in den zwanziger Jahren ein beachtliches Vermögen und großen Einfluss bei Bremer Kaufleuten erworben. Er besaß Einfluss in Reedereien, wie der DDG "Hansa", der DDG "Neptun" und dem NDL. Bereits 1925 hatte seine Bank die Aktienmehrheit der A.G. Weser erworben. Durch weitere Angliederungen in den Jahren 1927-1928 waren schließlich acht Werften von den Küsten der Nord- und Ostsee in der Deschimag vereinigt:

- Actien-Gesellschaft "Weser", Bremen
- Vulcan-Werke Hamburg, A.G.
- Joh. C. Tecklenborg A.G., Wesermünde
- Vulcan-Werke Stettin A.G.
- G. Seebeck A.G., Wesermünde
- Actien-Gesellschaft "Neptun", Rostock
- Nüschke & Co. A.G., Stettin
- Frerichswerft A.G. Einswarden

  • Aus der „Bremerhavener Straßenbahn AG“ wird die „Straßenbahn Bremerhaven-Wesermünde AG“.
  • In Wesermünde sind 15 Reedereien, 154 Firmen des Fischgroßhandels und 47 Firmen der Fischindustrie ansässig. 140 Fischdampfer sind hier beheimat; insgesamt laufen 196 Fischdampfer regelmäßig den Fischereihafen an.


 

1927

  • Wesermünde zählt jetzt 74.381 Einwohner.
  • Abschluss der Erweiterung des Kaiserhafens II.
  • Das aus dem Jahre 1865 stammende Dock der alten Ulrichswerft am rechten Geesteufer wird zugeschüttet. Nach der Planierung findet auf diesem Platz, der nach den zeitweiligen Besitzern (Norddeutsche Unionwerke Hamburg) Unionplatz genannt wird, der Bremerhavener Freimarkt statt.
  • Eröffnung des Fischindustriegebäudes (Kühlhaus) am Alten Hafen am 03. Mai.



1928

  • Am 24. Januar erwirbt der neue Deschimag-Konzern die Seebeck-Werft.

    Die Größe, das Ausmaß und vor allem die Folge der Deschimag-Konzentrationsbestrebungen, stießen einerseits auf Widerstand von Seiten Hamburger Schiffbaukreise und andererseits auf Proteste in der Öffentlichkeit und aus der Arbeiterschaft, da Tradionswerften wie die Tecklenborgwerft mit einem großen Namen und neuester Technologie einfach stillgelegt wurden. Zunächst verbreitete die Deschimag auch den Eindruck, daß es wichtig sei, die Tecklenborgwerft bestehen zu lassen, da der Norddeutsche-Lloyd diese Werft als Reparaturbetrieb benötige. Bald stellte sich allerdings heraus, daß zwischen der A.G. "Weser" Bremen und der Tecklenborgwerft eine Interessenskollision dergestalt bestand, daß beide vergleichbare Schiffsgrößen bauten und ein ähnliches Fertigungsprogramm besaßen.

    Bankier Schröder verfügte über großen Einfluß in den Reedereien. 1928 zog der NDL zwei Aufträge an die Tecklenborgwerft wieder zurück, was die Industrie-und Handelskammer Bremerhaven zu der Aussage veranlaßte, "daß die Unrentabilität der Tecklenborgwerft für die Jahre 1927/28 durch künstliche Maßnahmen der Deschimag bewußt herbeigeführt worden ist".

    Es gerieten drei Thesen in Umlauf: Erstens setzte Schröder die Tecklenborgwerft über die Reedereien, bei denen er Hauptaktionär war, unter Druck, zweitens wurden aller Wahrscheinlichkeit nach der Vorstand der Tecklenborgwerft und fünf Mitglieder des Aufsichtsrats "geschmiert", und drittens waren alle Aufsichtsratsmitglieder der Tecklenborgwerft in irgendeiner Form mit Bankhaus Schröder verknüpft.
    Die Deschimag brachte als Begründung dafür, daß eine der beiden Bremerhavener Werften (Seebeck oder Tecklenborg) geschlossen werden müsse und man sich für die Seebeckwerft entscheide, als Gründe an, daß zwei Werften in der anhaltenden Schiffbaukrise für das Gebiet der Unterweser nicht erforderlich seien und die Seebeckwerft den Bedürfnissen der Wesermündung vollauf genüge. Mit diesen Argumenten gelang es der Deschimag offensichtlich, den Protest aus Bremerhaven zu kanalisieren.

    Am 26. April wird dann trotz Rentabilität und modernster Fertigungsanlagen vom Bremer Aufsichtsrat der "Deschimag" die Stilllegung der Tecklenborg-Werft beschlossen, um die Schiffbaukapazitäten bei der Bremer Konkurrenzwerft A.G. "Weser" zu konzentrieren.
    Am 1. August genehmigte die Bezirksregierung die Stillegung der durch künstliche Maßnahmen herbeigeführten Unrentabilität der Tecklenborg Werft sowie den Abbruch der Anlagen. Am 2. September entscheidet die "Deschimag" endgültig und unwiderruflich, die wirtschaftlich gesunde Tecklenborg-Werft zu liquidieren. Die Werft beschäftigte zu diesem Zeitpunkt über 2000 Arbeiter und etwa 300 Angestellte, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Ca. 400 Mann wurden von der AG Weser übernommen.
    Die Genehmigung zur Demontage der Anlagen der Tecklenborgwerft wird am 24. September durch den Regierungspräsidenten in Stade erteilt. Die Helgenanlage, das Wahrzeichen des Seeschiffbaus an der Wesermündung, wird abgebaut.
    Die offizielle Schließung erfolgt zum 01. Oktober.
    Pioniere der Reichswehr sprengen die Gerüste der Helgen an der Geeste.
    Docks, Kräne, Einrichtungen und Maschinen gingen zum Teil an die Seebeck-Werft (z.B. das "König-Georgs-Dock", die Patentslipanlagen im Fischereihafen sowie die modernen Fertigungsmaschinen). Die Maschinen und Geräte wurden zum Teil zur Erweiterung und Modernisierung der Seebeck-Werft verwendet.
    Der Verlust der bisher führenden Bremerhavener Werft wurde für die Arbeiterschaft als besonders schwerwiegend angesehen.

    Sieben Monate nach dem Tod Georg Seebecks am 28. Februar, war für den 5. Oktober eine Generalversammlung der Deschimag in der Schröder-Bank zu Bremen anberaumt worden. Dort wurde bekannt gegeben, daß am 2. Oktober des Jahres der Fusionsvertrag zwischen der Deschimag und der G. Seebeck A.G. in Kraft getreten sei. In diesem Vertrag heißt es: "Das Vermögen der Gesellschaft geht unter Ausschluß der Liquidation des Ganzen auf die Deschimag über mit der Maßgabe, daß die Aktionäre für ihre Aktien den gleichen Betrag in Aktien der übernehmenden Gesellschaft erhalten."
    Im Frühjahr 1928 war die Mehrheit der Aktien durch den Bremer Bankier J.F. Schröder in den Besitz der Deschimag gelangt. Daraufhin hatte die außerordentliche Generalversammlung vom 21. Juni die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach dem Vorschlag der Deschimag geändert. Die Seebeckwerft war nun ein Zweigunternehmen der Deschimag geworden. Die Fusion erfolgte am 02. Oktober, nachdem die Geestemünder Firma im Geschäftsjahr 1927/28 nur mit einem Gewinn von 5200 Mark abgeschlossen hatte. Sie bedeutete das endgültige Todesurteil für die bereits 1926 in der Deschimag aufgegangene Tecklenborgwerft, die am 1.10.1928 offiziell geschlossen wurde.

    Die bisherige Werft, G.Seebeck AG in Wesermünde, wurde von der DESCHIMAG in "Tecklenborgwerft" umbenannt, um die Tradition der größeren und älteren Werft fortzuführen. Der Name bürgerte sich aber nicht ein und wurde bald, zugunsten des Namens "Seebeckwerft", wieder fallengelassen.
  • Fritz Tecklenborg gründet am 01. Juni zusammen mit Karl Kegel und einem holländischen Partner in Bremerhaven die Firma „Tecklenborg, Kegel & Co.“, ein Handelsunternehmen für Drahtseile und Schiffstaklerei. Der Betrieb übernimmt Mitarbeiter der Takelageabteilung der Tecklenborgwerft.
  • Zwischen dem Alten und Neuen Hafen wird ein Verbindungskanal mit zwei Klappbrücken fertiggestellt.
  • Der letzte große Arbeitskampf der Werftarbeiter um bessere Löhne und kürzere Arbeitszeit vor der Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 fand im Herbst 1928 statt. Obwohl in Bremerhaven die Schließung der Tecklenborgwerft inzwischen beschlossen war und während der Auseinandersetzung auch tatsächlich erfolgte, wollten die Werftarbeiter auf die Chance, die immer noch niedrigen Löhne nach dem Auslaufen des geltenden Tarifvertrages aufzubessern, nicht verzichten. Eine Verkürzung der Arbeitszeit war ebenfalls überfällig, denn obwohl die Unternehmer den Rückgang des Schiffbaus lautstark beklagten, wurden auf den deutschen Werften noch immer 52 Stunden wöchentlich gearbeitet, d.h. der 1918 festgelegte Achtstundentag auf den Werften auch nach zehn Jahren Republik noch nicht galt.

    Typisch an den Werftarbeiterkonflikten jener Zeit war, daß jede Lohn/Arbeitszeitauseinandersetzung in diesem Tarifbereich das Charakteristikum eines Großkampfes hatte. Die Werftunternehmer an Ost- und Nordsee bildeten seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine geschlossene Abwehrfront. Sie traten allen von den Gewerkschaften geforderten Verbesserungen der Arbeits- und Lohnbedingungen als einheitlicher Unternehmerverband entgegen. Ein Umstand, der es den Gewerkschaften aufgrund ihrer Zersplitterung in Richtungs- und Branchenverbände außerordentlich schwer machte, auf den Werften Erfolge zu erzielen. Mehr als 40 Organisationen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, der christlichen, Hirsch-Dunkerschen, kommunistischen, gelben und nationalen Gewerkschaften erhoben auf den Werften den Anspruch, Arbeiter und Angestellte zu vertreten.

    Bereits im Frühjahr 1928, nachdem etliche Großreedereien Schiffsneubauten in Auftrag gegeben und sich die Beschäftigungslage auf einigen Werften gebessert hatte, stellten die Verbände der Werftarbeiter die Forderung auf eine Lohnerhöhung von 10 Pf. Die Löhne lagen zu dieser Zeit in Bremerhaven bei 71-75 Pf für gelernte, 64-68 Pf für angelernte und 56-69 Pf für ungelernte Arbeiter.
    Die Verschlechterung der Lage bei Tecklenborg machte die Situation in den Unterweserstädten prekär, weil die Beschäftigungszahlen der anderen Werften weit unter denjenigen der Tecklenborg-Werft lagen, so daß der Verlust der bisher führenden Werft als besonders schwerwiegend angesehen werden mußte.
    Trotz dieser Situation ergab eine bereits im März 1928 durchgeführte Probeabstimmung auf den Werften mit 2582 zu 213 Stimmen eine überwältigende Mehrheit für einen eventuellen Streik. Nach ergebnislosen Verhandlungen griff der Schlichter ein und fällte nur mit seiner Stimme, also gegen die Stimmen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer einen Schiedsspruch, der eine Erhöhung der Löhne um 5Pf vorsah.

    Vor dem Eintritt in neue Lohnverhandlungen gab es Auseinandersetzungen zwischen dem Holzarbeiter- und dem Metallarbeiter-Verband, beide Mitglieder der Zentralwerftkommission der freien Gewerkschaften. Die Holzarbeiter hatten Sonderforderungen in Höhe von 15 Pf über dem Spitzenlohn der übrigen Werfthandwerker beschlossen, die zu vertreten von den übrigen Mitgliedern der Kommission abgelehnt wurde. Der Deutsche Holzarbeiter-Verband entzog daraufhin der Kommission das Mandat. Die Unternehmer lehnten jedoch ab, für die Holzarbeiter getrennt zu verhandeln. Daraufhin galten die Verhandlungen, noch ehe sie recht begonnen hatten, als gescheitert, und wieder hatte nun der Schlichter das Wort. Dieser fällte - abermals nur mit seiner Stimme - einen Schiedsspruch, der den Arbeitern 1 Stunde Arbeitszeitverkürzung und 4 Pf Lohnerhöhung für die nächsten 13 Monate brachte. Dieser Spruch wurde jedoch entgegen dem Verlangen der Werftunternehmer durch den Reichsarbeitsminister nicht für verbindlich erklärt.

    Die Werftarbeiter waren trotz ihrer nicht gerade guten Position angesichts der Verteuerung der Lebenshaltungskosten nicht bereit, dieses Ergebnis hinzunehmen, und so kam es am 1. Oktober 1928 zum Streik auf allen Werften an Ost- und Nordsee, an dem sich über 42.000 Werftarbeiter beteiligten, von denen 26.599 organisiert waren. Ab 2. Oktober ruhte auf allen Werften die Arbeit.

    Der Deutsche Metallarbeiterverband fordert die Einführung der 48-Stunden-Woche und eine Lohnerhöhung von 16 Pfennigen.
    Die gewerkschaftliche Zersplitterung kam während dieses Streik besonders deutlich zum Ausdruck.

    Der Streik dauert 13 Wochen. Dann wird ein Schiedsspruch durch den Reichsarbeitsminister gefällt, der vorsieht, das die Arbeitszeit von 52 auf 50 Stunden verkürzt und der Lohn um 5 Pfennige erhöht wird. Am 27 Dezember lehnen die Arbeiter den Schiedsspruch in einer Urabstimmung mit 91% der Stimmen ab, aber Arbeitsminister Wissell erklärt ihn für verbindlich. Der Streik endet am 3. Januar 1929. Somit konnte die längst überfällige Arbeitszeitverkürzung auf 48 Stunden immer noch nicht erreicht werden.



1929

  • Beginn des Baus für das neue Druck- und Verlagshaus der sozialdemokratischen "Norddeutschen Volksstimme", die sich im Untertitel als "Organ für die Interessen der Arbeiter" bezeichnete.
  • Am 03. Mai erfolgt die Grundsteinlegung für die Nordschleuse.
  • Der Reparaturbetrieb am Südende des Fischereihafens aus dem Tecklenborg-Nachlaß kommt zu Seebeck-Werft.
  • Die "Deutsche Dampfschifferei Nordsee" mit Sitz in Bremen und ihrer großen Flotte im oldenburgischen Nordenham übernimmt mitten in der Wirtschaftskrise die fast genau so große "Bremerhavener Hochseefischerei AG", die mit 24 Schiffen vor allem Heringsfang betreibt.
  • Das Kaiserdock II im Kaiserhafen wird zwischen 1929 und 1931 wegen der Indienststellung der Schnelldampfer "Bremen" und "Europa" auf eine Länge von 335m verlängert. Es ist damit das größte Trockendock der Welt.



1930

  • Zwischen dem Fischerei- und Handelshafen wird ein Verbindungskanal geschaffen.
  • Das letzte Schiff läuft durch die Schleuse in den Handelshafen. Die nun geschlossene Schleuse wird später als Trockendock benutzt.
  • In Geestemünde wird das Ibbrigheim als Wohnheim für Fischarbeiterinnen eröffnet.
  • An der Ecke Alte Poststraße/Hohenzollernring (heute Elbestraße/Friedrich-Ebert-Straße) wird am 06. Mai das neue Druck- und Verlagshaus der sozialdemokratischen "Norddeutschen Volksstimme" eingeweiht.
  • Preußen und Bremen beschließen die Gründung der "Fischereihafen-Wesermünde-Bremerhaven-GmbH" in der die bisherige "Fischereihafen-Betriebsgenossenschaft" (FBG) aufging.
  • Auf der Werft von Georg Seebeck arbeiten ca. 1.200 Beschäftigte.
  • In Wesermünde sind 18 Reedereien, 149 Firmen des Fischgroßhandels und 43 Firmen der Fischindustrie ansässig. 119 Fischdampfer sind hier beheimat; insgesamt laufen 203 Fischdampfer regelmäßig den Fischereihafen an.



1931

  • Während das Jahr 1929 eine annähernde Vollbeschäftigung der deutschen Werften erlebte, ging es von da an mit dem Auftragsbestand ständig zurück. Die Versuche des Bankiers Schröder (Deschimag), mit Kartellbildungen der Krise entgegenzusteuern, waren gescheitert. Am 1.10.1930 beschäftigten die deutschen Werften noch 44.800 Arbeiter, am 1.10.1931 nur noch 27.222. Für das Jahr 1931 meldete die Deschimag Bremen, daß sie kein Schiff mehr im Bau hatte. Nur einige kleinere Werften, wie z.B. Seebeck, hatten eine Anzahl von Aufträgen der sowjetischen Regierung für Fischdampfer.

    Der Geschäftsbericht der Deschimag für das Jahr 1931 beschreibt die wirtschaftliche Situation, in der auch die Seebeckwerft sich befand: "Das Jahr 1931 stand unter dem Druck der sich verschärfenden Wirtschaftskrise. Wir haben uns im verflossenen Geschäftsjahr vergeblich bemüht, Neubauaufträge hereinzuholen. Der letzte Neubau wurde im März 1931 abgeliefert. Infolge der gekennzeichneten Verhältnisse sank die Zahl unserer Angestellten und Arbeiter von 5635 am Anfang auf 1658 am Ende des verflossenen Geschäftsjahres. Durch Senkung der Löhne und Gehälter und sonstige nur erdenkbare Sparmaßnahmen haben wir die Unkosten des Unternehmens herabgedrückt, jedoch brachten alle diese Einsparungen keinen Ausgleich für den Einnahmeausfall."
  • Die durch dramatisch gestiegene Arbeitslosigkeit entstandene Unzufriedenheit löst am 18. Juni in radikalen Teilen der Bevölkerung schwere Krawalle aus.
  • Der Bremerhavener Magistrat verbietet am 22. Juni Umzüge und alle politischen Versammlungen unter freiem Himmel.
  • Das Außentor der Schleuse zum Handelshafen wird zugeschüttet. Die ehemalige Schleuse wird nun als Dock für die Reparatur von preußischen Dienstfahrzeugen benutzt.
  • Die Nordschleuse mit 372m Länge, 60m Breite, 14,50m Fahrwassertiefe und 45m Einfahrtsbreite wird am 10. August in Betrieb genommen.
  • Am 08. November findet die Wahl zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung statt: SDP 11 Sitze, NSDAP 9 Sitze, KPD 5 Sitze, Deutschnationale 4 Sitze, Bürgerlich 3 Sitze, Mittelstand 2 Sitze, Demokraten und Zentrum je 1 Sitz.



1932

  • Am 30. September streiken die Maschinisten, Heizer und Matrosen in allen Reedereien. Es geht um die Abwehr von Lohnkürzungen und die Streichung von freien Tagen. Die Ausstände versickern im Laufe des Novembers. Die Ergebnisse sind unterschiedlich.

    Gleichzeitig kommt es bis zum 4. November zu einem großen Streik der Fischdampferbesatzungen und der Fischarbeiter und Fischarbeiterinnen an Land.
  • In diesem Jahr wurden auf der Lloyd-Werft selten mehr als 500 Personen beschäftigt.
  • Verursacht durch den Zusammenbruch der Schröder-Bank im Jahre 1931 stellte sich auch die "Deschimag" schwer angeschlagen dar. Im Jahr 1932 stand der Schiffbaukonzern mit Millionenverlusten kurz vor seiner Stillegung. Generaldirektor Stapelfeldt hatte einen Sanierungsvorschlag ausgearbeitet. Aber erst 1933 kam die Sanierung zum Abschluß.