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Historie der Arbeitergeschichte und der Arbeit in der Region
Geschichte der Arbeiterbewegung in Bremerhaven

1933 – 1937

1933

  • Am 30. Januar 1933 hatte der Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt, die Nazis übernahmen an diesem Sonntag die Macht.
    Was das bedeutete, merkte der Modelltischler Fritz Ring aus Lehe schon am Montagmorgen. Als er um 7 Uhr an seinem Arbeitsplatz beim Norddeutschen Lloyd stand, sagte sein Meister zu ihm: "Ring, Hitler ist Reichskanzler geworden, jetzt ist es mit dem Streiken aus!" Fritz Ring war, wie schon sein Vater, Gewerkschafter und Sozialdemokrat.
  • Während in Berlin die Kolonnen der SA bei Fackelschein durchs Brandenburger Tor zogen, versammelten sich in Bremerhaven im Gewerkschaftshaus "Eintracht" an der Deichstraße 55 dreihundert Männer der Schufo. Die Schufo war die Schutzformation des "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold", eine Verteidigungstruppe der SPD und der Gewerkschaften. Waffen hatte die Schufo in Bremerhaven nicht.
    Die Männer in der "Eintracht" hatten sich mit Spaten ausgerüstet, weil sie in dieser Nacht einen Machtrausch der SA und die Besetzung des Gewerkschaftshauses erwarteten. Herbert Feldmann, damals 21 Jahre alt, war dabei. "Genossen, wer nicht will, der soll jetzt gehen", hatte der Leiter der Schufo, Anton Haupt, an diesem Abend gesagt. Keiner ging.
    Der Reichsbanner hatte für den Angriff der SA einen Alarmplan ausgearbeitet. Friedrich Deppe von der Eisenbahngewerkschaft sollte mit Reichsbannerleuten den Jägerhof abriegeln, um Verstärkung für die SA aus Wurster Dörfern am Durchmarsch zu hindern. Das vereinbarte telefonische Alarmsignal kam nicht, der Angriff der SA blieb in dieser Nacht aus.
  • Die Schufo schützte nachts Konsum-Geschäfte vor randalierenden SA-Leuten; es kam zu Schlägereien, planmäßig eingesetzt wurde der Reichsbanner in Bremerhaven nicht mehr. "Wir diskutierten, was wir machen sollten - es war nichts mehr zu machen. Einmal standen wir zu zweit im Eingang der "Eintracht"," erinnert sich Georg Dörhage vom Reichsbanner, "da kam ein SA-Mann in Uniform vorbei. "Anpissen müsste man euch," sagte er und zog die Pistole. Wir standen da und sagten nichts."

    Der Parteisekretär der SPD, Heinrich Kammerahl, mußte vor seinen Genossen in der Schufo eingestehen: "Wir können nichts mehr machen, wir können nur noch die Faust in der Tasche ballen." Und als die Polizei eine Wahlveranstaltung der SPD bei "Weiß" in Speckenbüttel (später Union) auflöste, weil der Redner Bernhard Vogelsang in den Saal rief:" Als Adolf Hitler noch kein Deutscher war...", da stürzten die Reichsbannerleute auseinander, flüchteten aus den Fenstern. "Keiner hatte mehr Mut. Waffen gab es für uns nicht", beschreibt Ewald Deppe, der damals im Reichsbanner war, die Situation.

    Die politischen Parteien waren zu einem aktiven Kampf gegen die neue Gewalt nicht gerüstet oder nicht bereit. Die KPD kämpfte gegen die parlamentarische Republik von Weimar und die Sozialdemokratie. Sie hatte in den letzten Jahren zwar die Illegalität geübt, war aber auf den brutalen Terror der Nazis nicht eingestellt. Die lokale SPD stand in ihrem Kampf auf dem politischen und propagandistischen Sektor allein; gewaltsame Alternativen zur politischen Auseinandersetzung hatte sie weder vorbereitet noch gewollt. Die bürgerlichen Kräfte traten zur Verteidigung der Republik nicht an; sie waren nur darauf bedacht, daß "die ordnungsgemäße Weiterführung der Verwaltung gewahrt bleibt" (Oberbürgermeister Beckè am 7.3.1933 vor dem Magistrat.). Dabei hatte man die Gefahren durchaus kommen sehen.
  • Am 06. Februar wird der preußische Landtag aufgelöst und gleichzeitig auch das Wesermünder Bürgervorsteherkollegium in dem die SPD mit 25 Abgeordneten die absolute Mehrheit besaß.
    Die NSDAP stellt am 21. Februar im Stadtparlament Bremerhavens den Antrag, das Parlament aufzulösen. SPD und KPD stimmen dagegen und verhindern die Auflösung.
  • Der Parole der Nazis "Die Nacht nach dem Siege gehört euch SA-Leute, sie wird die Nacht der langen Messer!" hatte das SPD-Organ "Vorwärts" 1932 auf einem Plakat in Bremerhaven entgegengesetzt: "Die wilden Männer vom Hakenkreuz bringen dieser blutrünstigen Parole gewiß wärmste Sympathie entgegen, aber so schnell geht es dann doch nicht! Schließlich sind wir ja auch noch da..."
    Die Nacht der langen Messer kam schneller, als jener SPD-Abgeordnete gedacht haben mag, der vor der Reichstagswahl vom 5.3.1933 auf einer Parteiveranstaltung in Loxstedt zu Adolf Hitler ausrief: "Aber der Mann hat doch `n Eid auf die Verfassung geschworen."

    Die Nacht der SA, des Nazi-Terrors, begann am Abend des 27. Februar 1933. Über Rundfunk, Telegraf und Nachrichtenagenturen lief die Meldung: "Der Reichstag brennt." Hitler erklärte an der Brandstelle: "Das ist ein von Gott gegebenes Zeichen, niemand wird uns von nun daran hindern, die Kommunisten mit eiserner Faust zu vernichten."

    Mit der "Reichstagsbrandverordnung" werden die Grundrechte aufgehoben und die Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt. Einführung der Schutzhaft und der Todesstrafe.
    Die Lokalnachrichten der Nordwestdeutschen Zeitung (NWZ) an den folgenden Tagen zeigen, dass Polizei und Verwaltung in Bremerhaven nicht zögerten, gemeinsam mit der SA die Worte Hitlers in die Tat umzusetzen. Noch in der Nacht vom 27. zum 28. Februar durchsuchte die Polizei das Haus der SPD-Zeitung "Norddeutschen Volksstimme" und beschlagnahmte "verschiedenes Material". Die Zeitung wurde für 3 Tage verboten.

    Am Morgen des 28. Februar begannen die Hausdurchsuchungen bei "kommunistischen Funktionären und Parteigängern nach Waffen, Druckschriften, Flugschriften und Zersetzungsschriften hochverräterischen Inhalts". In den folgenden Tagen werden die Stadtverordneten der KPD verhaftet, und die Parteibüros geschlossen und eine Wahlveranstaltung der SPD wird aufgelöst. Die NWZ berichtete täglich über "Kommunistenverhaftungen in den Unterweserorten", geplante "Terrorakte der Kommunisten", "Verbot der SPD- und KPD-Presse in Preußen", "KPD-Bureaus in Bremerhaven geschlossen".
  • Die neuen Machthaber konnten dennoch nicht verhindern, daß am 3. März 1933, zwei Tage vor der Reichstagswahl, eine letzte große Demonstration von SPD und KPD gegen den Faschismus in Bremerhaven stattfand. Dazu aufgerufen hatte die "Eiserne Front", die seit Dezember 1931 Gewerkschaften, SPD, Arbeitersport und Reichsbanner zur Abwehr des Nationalsozialismus gebildet hatten: Zwei Nazis hatten einen Reichsbannermann am 28. Februar 1933 auf dem Markplatz niedergestochen.
    9.000 Bremerhavener, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Mitglieder der Konsumvereine, der Reichsbanner mit Trommeln und Pfeifen, Kommunisten mit Schalmeienkapellen, marschierten in langem Zug von Bremerhaven nach Lehe, um gegen die ersten Gewalttaten der Nazis in den Unterweserorten zu demonstrieren. Zum letzten Mal hing Leni Ring die 3 m lange Fahne mit den drei Pfeilen der "Eisernen Front" aus dem Fenster. Auf dem Leher Neumarkt hielt der SPD-Parteisekretär und Reichsbannerführer Heinrich Kammerahl seine letzte große Rede gegen den Faschismus. "Mit dem Stimmzettel werden wir sie besiegen", rief er aus. Sein damaliger Fahrer, Franz Barya, meint 20.000 Menschen hätten ihm zugehört. Die SA ließ auf der Hafenstraße eine Gegendemonstration mit 109 Menschen aufmarschieren. Es kam zu Auseinandersetzungen, die Polizei griff ein. Nur Sozialdemokraten, Heinz Wenke, Fidel Spohler, Bernd Britzwein, Wilma Wagner, wurden später deswegen bestraft.
    Die Demonstration vom 3. März 1933 war er erste und zugleich letzte Akt gemeinsamen öffentlichen Widerstandes von SPD und KPD. Es begann die Zeit der Angst und des Verbergens.
  • Die Verhaftungswelle nach dem Reichstagsbrand richtete sich in den Unterweserorten in erster Linie gegen die Mitglieder der KPD. Den Übergriffen der SA, die in Bremerhaven am 1.3.1933 als Hilfspolizei vereidigt wurde, waren die Kommunisten offenbar fast wehrlos ausgeliefert. Mit den Massenverhaftungen nach dem Reichstagsbrand im März und April 1933 versuchten SA und Polizei, die innere Organisation der KPD zu zerschlagen.
    Am 3. März 1933 schloss die Polizei die KPD-Büros in Bremerhaven. Trotz oder gerade wegen aller dieser Maßnahmen wehte am 1. Mai 1933, als die Nazis ihren "Tag der nationalen Arbeit" mit Aufmärschen begingen, am Schornstein über dem Eisenbahnbetriebswerk in Lehe eine große rote Fahne mit Hammer und Sichel. Sie blieb dort mehrere Tage hängen, obwohl Steigeisen zum Kopf des Schornsteins führten. Eisenbahner hatten das Gerücht verbreitet, die obersten Stufen könnten angesägt sein...
  • Im Jahr 1933 zählt die Stadt Bremerhaven 25.779 Einwohner.
  • Reichstagswahl am 05. März. Die NSDAP (44%) verfehlt die absolute Mehrheit und lässt die 81 Mandate der KPD annulieren. In der Stadt Wesermünde bleibt die SPD die stärkste Partei (36,7%). Die NSDAP erhält 35%, die KPD 11,9% und die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 11,5%. In Bremerhaven erhält die NSDAP 34,2%, die SPD 28,7%, die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 16,7% und die KPD 13,8%.
  • Am 12. März findet die Wahl zur Wesermünder Bürgervorstehervesammlung statt: SPD 18 Sitze, NSDAP 16 Sitze, Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 5 Sitze, KPD 4 Sitze, Bürgertum 2 Sitze, Zentrum 1. Die Sitze der KPD werden von der regierenden NSDAP sofort annuliert. Die Bürgervorsteher werden am 29. März rechtswidrig entlassen.
  • Die 1931 gewählte Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung löst sich am 17./18. März auf Antrag der NSDAP auf, nur die KPD stimmt dagegen. Zu Neuwahlen kommt es nicht mehr.
  • Am 28. März wird das Bremerhavener Stadthaus durch SA, SS und Hilfspolizei besetzt. Oberbürgermeister Waldemar Becké wird von den neuen Machthabern von seinem Amt entlassen. Der Präsident des Bremer Senats bestimmt gesetzeswidrig dem NSDAP-Stadtrat Julius Lorenzen die Geschäfte des Oberbürgermeisters zu übertragen.
  • Die unter anderem vom Gewerkschaftskartell zum Zweck der Errichtung des Gewerkschaftshauses "Eintracht" gegründete Baugenossenschaft wird per Senatsbeschluss aufgelöst. Die Begründung lautete: "Mißbrauch der Genossenschaftsbewegung zu marxistischen Zwecken."
  • Am 2. Mai lösen die Nationalsozialisten die Gewerkschaften auch in Bremerhaven und Wesermünde auf. Sie besetzen alle Büros und Häuser der Gewerkschaften, die Gewerkschaftssekretäre werden festgenommen. Bis zum Juni verhaftet die politische Polizei fast sämtliche führenden Sozialdemokraten und Gewerkschaftler.
  • Am 06. Mai findet die Bücherverbrennung auf dem Marktplatz, dem heutigen Theodor-Heuss-Platz, statt.
  • Unter dem Druck der NSDAP löst sich am 20. Mai der 5. Bezirk des Arbeiter-Turn-und Sportbundes, in dem auch die Vereine aus Wesermünde und Bremerhaven organisiert sind, auf, um einer "Gleichschaltung" zu entgehen. Die Nazis hatten den Sozialdemokaten vorher alle Möglichkeiten genommen, weiter ihren Sport auszuüben. Die Vereine fassen dann, jeder für sich, die entsprechenden Beschlüsse, so am 10. Juni 1933 die Freie Turnerschaft Geestemünde, "da dem Verein durch die Entziehung des Benutzungsrechts der Städtischen Turnhallen (Humboldtschule und Realschule) und des Städtischen Sportplatzes jede Möglichkeit der sportlichen Betätigung seiner Mitglieder genommen ist."
  • Trotz der Massenverhaftungen bemühten sich einzelne Genossen, die Parteiorganisation und den Widerstand gegen die Nazis aufrechtzuerhalten. In einem Hochverratsverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Bremen wurden Willy Vogel und elf andere Kommunisten angeklagt, bis Juli 1933 durch "den Besitz und Vertrieb von Beitrags- und Unterstützungsmarken, Flugblättern und Broschüren", durch Versammlungen, auf denen Folkert Potrykus sprach, "den Wiederaufbau der illegalen Organisation der KPD bezweckt zu haben". Unter Vorsitz eines Dr. Roth verurteilte das Gericht Willy Vogel zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis.
    Bei der Verhaftung von Willi Vogel fand die Staatspolizei Beitragsmarken für die KPD und die "Rote Hilfe" sowie Flugblätter und "illegale Schriften". "Als der Hauptkassierer der Partei verhaftet wurde", erzählt Willy Vogel, "übernahm ich seine Stellung. Sechs bis acht Unterkassierer hielten den Kontakt zu den einzelnen Genossen. Die Beitragsmarken und die Flugblätter brachte ein Kurier aus Bremen. Die Flugblätter haben wir tagsüber - nicht nachts, das wäre verdächtig gewesen - in die Briefkästen gesteckt. Wir hatten Angst; selbst den Genossen konnte man nicht mehr trauen. Heute hast Du einem Genossen noch die Hand gegeben und am nächsten Tag sahst du ihn in SA-Uniform. Ich dachte, das sind doch auch Arbeiter."
    Willy Vogel wurde auf dem "Gespensterschiff" sonderbehandelt. "Der Gefängniswärter im Bremischen Amt hat geweint, als er mich später sah. Meine Frau durfte wegen der Verletzungen drei Wochen nicht zu mir.“

    Treffpunkt mit den Kurieren aus Bremen war u.a. der Kilometerstein 30 an der Bremer Chaussee. Dorthin fuhr man mit dem Fahrrad, um gesammelte Beiträge zu übergeben und Flugblätter und Beitragsmarken zu erhalten. "Am Anfang fuhren wir bis Bremen mit dem Rad", berichtet Hein Meyer, "um die Beiträge abzurechnen und um neues Material zu holen. Wir hatten immer ein Fischpaket als Tarnung dabei. Die Flugblätter haben wir dann am Schiffdorferdamm und in den Blocks in der Friedrich-Ebert-Straße am Bahndamm verteilt."

    Hein Meyer, 1933 war er 30 Jahre alt, arbeitete als Fischarbeiter im Fischereihafen. "Der Schuppen, in dem ich arbeitete, war als "rote Bude" verschrien, drei oder vier Genossen arbeiteten dort." Noch 1985 wohnte Hein Meyer im Haus seiner Eltern, Am Kuhhamm 11, neben der Schiffdorfer Chaussee. Sein Vater war Lagerarbeiter "auf`m Konsum", beide waren erst bei der USPD und 1920 der KPD beigetreten. Die Dammer hatten eine eigene Ortsgruppe, 35 Männer, 10 Frauen. Sie trafen sich im Gasthof Cordes in der Veerenstraße, Kuriere aus Bremen konnten dort unverdächtig Kontakt aufnehmen.

    Als am 1. August 1933 in Hamburg das erste Todesurteil der Nazi-Justiz gegen vier Kommunisten vollstreckt wurde, zog Hein Meyer in der nächsten Nacht mit seinem Bruder Willy und mit Anton Schlüter los. Sie schrieben ihren Protest gegen das Urteil mit Ölfarbe an die Wand der Überlandzentrale Bürgerpark-Süd. "Vier Unschuldige der KPD in Altona hingerichtet! Rache!" Am nächsten Morgen lasen es die Arbeiter, die zu Fuß oder mit dem Rad zur Arbeit fuhren. Mittags hatte die SA die Parole mit Teer übermalt.
  • Im Zuge der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten werden die Arbeiter- und Angestelltenkammern anhand eines Gesinnungsprotokolls auf unliebsame Personen durchleuchtet und diese aus dem Dienst entlassen. Deren Stellen werden anschließend mit linientreuem NSDAP Personal besetzt. Den Auftrag hierzu gibt der zuständige Senator Otto Heider. Für die Angestelltenkammer ernennen die Nazis Karl Westermann zum geschäftsführenden Syndikus, in der Arbeiterkammer übernimmt August Hogrefe diese Position.
    Unter neuer Leitung werden die Kammern inhaltlich rasch entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie umstrukturiert. Dies zeigt sich auch anhand der neuen Kammergesetze, die bereits am 20. September 1933 durch Reichsstatthalter Karl Georg Röver erlassen werden. Durch diese wird ein hierarchisch angelegtes Herrschaftsprinzip eingeführt. Die Zugehörigkeit zur NSDAP ist nun Grundvoraussetzung, um in einer der beiden Kammern wirken zu können.
  • In den Unterweserstädten hatte die KPD als Ersatz für den seit 1929 verbotenen "Rot-Frontkämpfer-Bund" (RFB) sog. "Häuserschutzstaffeln" und den "Roten Massenselbstschutz" gegründet; dazu gehörte in Bremerhaven auch die "Rote Marine", eine Gruppe, die nur aus Seeleuten bestand.

    In einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 3.8.1934 gegen 79 kommunistische Angeklagte aus Bremerhaven "wegen Vorbereitung zum Hochverrat pp." werden die Aktivitäten des "Roten Massenselbstschutzes" dargestellt. Dieses Urteil ist eines der wenigen zeitgeschichtlichen Dokumente über KP-organisierten Widerstand in unserer Stadt am Anfang der Nazi-Zeit.

    Danach soll eine große Zahl der Angeklagten an "militärischen Übungen" des "Roten Massenselbstschutzes" "in Uniform, schwarzes Hemd, roter Schlips", teilgenommen haben. Eine dieser Übungen fand am 18. Dezember 1932 "mit Generalstabskarten" an der Baggerkuhle in Langen statt, eine zweite "nach eingetretener Dunkelheit" am 19. Februar 1933 an der Pipinsburg. "Bei der zweiten Übung", so das OLG Hamm, "hatte die Rote Marine einen Berg besetzt, den die anderen Züge stürmen mußten. Hierbei wurden auch Leuchtraketen abgeschossen." Auf einer anderen Versammlung des verbotenen RFB hatte am 13. Februar 1933 am Bismarckturm der Gauleiter der KPD, Winter, zur Verhinderung eines SA-Propagandamarsches aufgerufen.

    Zum Schutz gegen die SA oder zum Widerstand eingesetzt wurden der "Rote Massenselbstschutz" ebensowenig wie die wenigen Waffen, die einzelne Parteimitglieder offenbar organisiert und versteckt hatten. Die NWZ berichtete schon am 3.3.1933 im Zusammenhang mit "Kommunistenverhaftungen" von Waffenfunden im Laubengelände, am 29.3.1933 von Waffen, die bei Hausdurchsuchungen gefunden wurden. Im Urteil des OLG Hamm wird geschildert, daß die Polizei am 21.4.1933 Waffen in einer "mit Dachpappe umwickelten Kiste" in der Gartenbude des Maschinenschlossers Friedrich Schmidt ausgegraben habe: 4 Vogelbüchsen mit Munition, 2 Militärgewehre 71, 4 Karabiner 98 mit 100 Schuß, 2 Vorderladergewehre, 4 Sprengkörper, 4 Stangen Romperit-Sprengstoff, 4 Sprengkapseln, 4 Zündschnüre.

    Liest man die Nachrichten in der damaligen Presse und die Urteile gegen Bremerhavener Kommunisten genau, so müssen den Nazi-Machthabern weit gefährlicher als Waffen die Solidarität der Parteimitglieder sowie das gesprochene und geschriebene Wort erschienen sein. Die ersten Angriffe der Nazis richteten sich gegen die Zeitungen, Flugblätter und Wahlplakate von SPD und KPD. Selbst unbedrucktes, "neues Papiermaterial" beschlagnahmten sie Ende März 1933 bei einem KP-Mitglied.

    Den Verstecken von Schreibmaschinen und Vervielfältigungsapparaten widmete das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 3.8.1934 die größte Aufmerksamkeit; denn diese Geräte, in den Händen von Kommunisten, "waren geeignet, die umstürzlerischen Ziele der KPD zu fördern", und alles das war "Vorbereitung zum Hochverrat".
  • In den Tages- und Monatsmeldungen der "Staatspolizei für Reg.-Bez. Stade in Wesermünde" wird regelmäßig berichtet, daß "die kommunistischen Wühlereien" in den Betrieben von Seebeck und Achgelis weiter andauern. Mit großer Beharrlichkeit bemühten sich die Mitglieder der KPD, durch das Herstellen und die Verbreitung von Flugblättern ihren Widerstand in die Öffentlichkeit zu tragen.

    Der Höhepunkt dieser mutigen und gefahrvollen Propaganda-Arbeit war erreicht, als in den Unterweserstädten aus dem Untergrund die "Kleine Arbeiterzeitung", von der zwischen März und Oktober 1933 drei Ausgaben erschienen, "illegal" verbreitet wurde.

    Die Zeitung - drei Blätter im DIN-A4-Format - reichten sich die Arbeiter heimlich weiter, mit der Post gelangte sie anonym an Bremerhavener Bürger. Der Verfasser war Folkert Potrykus, ein 33jähriger Dreher aus Bremerhaven und Redakteur der verbotenen kommunistischen Arbeiterzeitung in Bremen.

    In einem Versteck im Spadener Moor stellte er auf einem Vervielfältigungsapparat diese Zeitung mit Hilfe von zwei Freunden her und berichtete in ihr unter anderem über die wirtschaftliche Misere des NS-Regimes, über die Folterungen und den Terror der Nazi-Machthaber und über die Gräueltaten der Nazis auf dem "Gespensterschiff" in Bremerhaven.

    Ende der 20er Jahre, in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit, brachte Potrykus täglich die "Arbeiter-Zeitung", das Organ der KPD, aus Bremen mit dem Zug nach Bremerhaven. Er begann als sog. Arbeiterkorrespondent, kleinere Artikel über Bremerhavener Ereignisse zu schreiben. Die Arbeiterzeitung holte Potrykus als Redakteur nach Bremen, er erlebte Verbote und Beschlagnahmen der Arbeiter-Zeitung, wurde schon vor 1933 mit 26 Hochverratsverfahren wegen seiner Zeitungsartikel überzogen.

    Am 4. Februar 1933 hielt Potrykus in Bremen im großen Saal der Central-Hallen eine Rede zum Gedenken an den 4. Februar 1919 (Kampf für die Räterepublik in Bremen) und ging "scharf auf die spannungsgeladene Gegenwart ein". Die Polizei schloss die Versammlung mit Gewalt. Gemeinsam mit Gewerkschaften, Konsumgenossenschaftlern und Reichsbannerleuten organisierte er im Gebiet des Focke-Museums in Bremen einen Roten Massenselbstschutz: "Wir bewachten Konsumläden, das Distriksbüro der SPD und verjagten Sabotage- und Schlägertrupps der SA."

    Potrykus bekam von der Parteileitung den Auftrag, die durch die Massenverhaftungen unterbrochenen Kontakte der KPD im Bezirk Nordwest neu zu knüpfen. Er stellte zu den Arbeitern in Oldenburg, Emden und Wilhelmshaven wieder Verbindungen her, kam dann nach Bremerhaven. Potrykus versuchte, den Widerstand zu organisieren, sprach auf Parteisitzungen, sorgte für die Beschaffung und Verteilung von Flugblättern. "Unsere illegale Gruppe wurde größer", heißt es in seinen Erinnerungen.

    Folkert Potrykus wurde am 8.10.1933 von der Gestapo verhaftet. Es war Verrat im Spiel.
    Potrykus wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt und anschließend ins KZ Esterwegen, später ins KZ Sachsenhausen. Am 1.2.1938 war Folkert Potrykus wieder Zuhause, als Krüppel, er musste wegen Verletzungen, die ihm die Nazis in der Haft zugefügt hatten, zeitlebens ein Stahlkorsett tragen. Nach dem Kriege, 1946, gehörte Potrykus für die KPD der ersten Stadtvertretung Wesermündes, dem Stadtrat, an und später der Stadtverordnetenversammlung bis zu seinem Ausscheiden während der Legislaturperiode 1951 bis 1955.
    Mit der Verhaftung von Folkert Potrykus erlosch zunächst der Widerstand der KPD in Bremerhaven. Die führenden und aktiven Genossen waren in Haft, wurden später verurteilt und verschwanden in den Zuchthäusern und KZ-Lagern des 3. Reiches.
  • Gesine Schildknecht ging abends los "mit Pinsel und Pott, erzählt ihr Sohn Alfred. Ihr Mann, Ernst Schildknecht, seit 1920 Mitglied der KPD, war verhaftet. "Vater sitzt dafür, und dafür kämpfe ich weiter", sagte sie zu ihren Kindern. Ernst Schildknecht hatte die "Kleine Arbeiter-Zeitung" von Folkert Potrykus verteilt. Dafür erhielt er 1934 ein Jahr und fünf Monate Gefängnis. Nach seiner Entlassung hat er als Dreher bei Seebeck gearbeitet. 1937 wurde er erneut verhaftet. Er hatte lauthals seine Sympathie für den Kampf der spanischen Republik gegen die faschistischen Angreifer erklärt. Er wurde zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt und kam danach "als unbelehrbar" ins KZ, zuerst nach Sachsenhausen, dann nach Buchenwald. Als seine Söhne von der Gestapo hörten, ihr Vater würde entlassen, wenn sie sich freiwillig zur Marine melden, gingen sie zur Marine - vergeblich. Ernst Schildknecht ist in Buchenwald verhungert. Am Tage nach seinem 58. Geburtstag erschien die Todesanzeige. In der es hieß: "Die Beisetzung wird noch bekanntgegeben." Die Familie wusste nicht, wann sie die Urne erhalten würde.
  • Als Karl Salomon Anfang April 1935 aus der Haft entlassen wurde, wusste er was heißt, in den Gefängnissen der Nazis zu sitzen. Am 1. März 1933 hatte die politische Polizei drei kommunistische Funktionäre in Haft genommen, darunter der kommunistische Stadtverordnete Salomon, der sich schon immer durch eine besonders hetzerische Tonart hervortat. Karl Salomon erhielt sogleich nach seiner Entlassung von der Parteileitung in Bremen den Auftrag, die KPD in der Illegalität neu zu organisieren und den Kampf gegen die Nazis fortzusetzen. Salomon stellte fest, daß es 1935 einen Zusammenhang unter den KP-Genossen nicht mehr gab, es wurde nur vereinzelt in Gruppen diskutiert. Verbindungen nach außen waren abgebrochen. Er stellte neue Kontakte unter den Bremerhavener Genossen zu Anton Kessler von der illegalen KPD in Bremen her, lieferte und bekam über Kuriere Informationen.

    Ebenso wie bei der KPD wurden führende Funktionäre der SPD und der Gewerkschaften in den Monaten nach dem Reichstagsbrand von der Polizei verhaftet oder von den Nazis in Schutzhaft genommen. Schon in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 hatte die Polizei die Räume der "Norddeutschen Volksstimme" am Hohenzollernring (heute Friedrich-Ebert-Straße 1) durchsucht. Am 28./29. März 1933 nahm die Kripo den Chefredakteur dieser Zeitung, Gerhard van Heukelum, gemeinsam mit dem Direktor der Ortskrankenkasse, Eckermanns, fest. Über die Durchsuchung in der "Norddeutschen Volksstimme" berichtet die NWZ:" Es wurden Schriftstücke gefunden, die auf eine planmäßige Bespitzelung der Polizei seitens gewisser SPD-Funktionäre hindeuten."
    Van Heukelum hatte als "Leuchtturmwärter vom Roten Sand" Kolumnen geschrieben in denen er, informiert von sozialdemokratischen Polizeibeamten, die zunehmende Durchsetzung der Polizei mit Nazis und geheimen Spitzeln aufdeckte.
    Bis zum Juni 1933 verhaftete die politische Polizei fast sämtliche führenden Sozialdemokraten und Gewerkschaftler, am 2. Mai 1933 u.a. Landgraf, Vogelsang, Seidel, Kammerahl, Menkens, Haltendorf, Kassebohm u.v.a. Am 22. März wurden Reichsbanner und Eiserne Front verboten, tags darauf durchsuchten Polizei und SA das Gewerkschaftshaus "Eintracht" in der Deichstraße. Den Betriebsräten und Betriebsobleuten wurde die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagt. Am 2. Mai besetzten die Nazis alle Büros und Häuser der Gewerkschaften und übernahmen deren Vermögen.
  • Gerhard van Heukelum, Gewerkschafter und SPD Politiker wird nach der Machtergreifung der Nazis mehrfach inhaftiert und in die KZ´s Langlütjen II und Mißler (bei Bremen) gesperrt. Van Heukelum war Geschäftsführer des Bremerhavener DMV (Deutscher Metallarbeiter Verband), und als SPD Politiker Ratsmitglied der Stadt Bremerhaven, ehrenamtlicher Stadtrat im Bremerhavener Magistrat und später (bis 1933) Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft. (Van Heukelum überlebt den Naziterror und wird nach dem Zweiten Weltkrieg im Mai 1945 von der US-amerikanischen Militärregierung zum Bürgermeister der Stadt Bremerhaven ernannt. Er war seit Juni 1946 ehrenamtlicher Oberbürgermeister der Stadt Wesermünde, die im Februar 1947 auf sein Betreiben hin in das Land Bremen eingegliedert wurde, wobei das Hafengebiet bei der Stadt Bremen verblieb. Nach der Umbenennung Wesermündes in Bremerhaven 1947 amtierte er noch bis 1948 als Oberbürgermeister der Stadt.)
  • Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten forderte die Kriegsmarine das Gelände um den alten Lloyd-Dockbetrieb für ihre Zwecke an. Neben 53 Lehrlingen waren rund 520 Mann beschäftigt. In den folgenden Jahren nahm die Arbeit zu, jedoch konnten kaum noch Facharbeiter eingestellt werden, da insgesamt fast Vollbeschäftigung herrschte.
  • Auf der am 28. August in Bremen stattgefundenen ordentlichen Generalversammlung der "Deschimag" wurde im Bericht des Vorstandes die wirtschaftliche Situation der Deschimag-Werften wie folgt geschildert: "Im Geschäftsjahr 1932 haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse leider weiter verschlechtert. Diese Entwicklung ist schlechthin nicht auf gelegentlich wiederkehrende Krisenerscheinungen, sondern auf den völligen Zusammenbruch der Weltwirtschaftsordnung zurückzuführen. Infolge des katastrophalen Niedergangs in der Schiffahrt ist es uns im verflossenen Geschäftsjahr nicht möglich gewesen, Schiffsneubauaufträge hereinzuholen."
  • In diesem Jahr die Hauptpost am Hauptbahnhof in Geestemünde eröffnet.
  • In Wesermünde sind 20 Reedereien, 152 Firmen des Fischgroßhandels und 39 Firmen der Fischindustrie ansässig. 124 Fischdampfer sind hier beheimat; insgesamt laufen 188 Fischdampfer regelmäßig den Fischereihafen an.

 

1934

  • Am 20. Januar wurde von der Hitlerregierung das "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit" erlassen. Es beseitigte die Rechte der Betriebsräte und bestimmte den Unternehmer zum alleinigen Führer des Betriebes. An die Stelle der Betriebsräte traten sog. Vertrauensleute, die den Unternehmern beratend zur Seite standen. Im März und April fanden die ersten Vertrauensrätewahlen statt.
  • Das Zollgebäude Rotersand, Franziusstraße 1 (am Ende der Rickmers- und Kaiserstraße, heute Bürgermeister-Smidt-Straße) wird in Betrieb genommen.
  • Durch ein Großfeuer am 23. Mai werden die Anlagen der Firma Külken am Holzhafen vernichtet.
  • Die Deutsche Hochseefischerei AG "Nordsee" wechselt die Weserseite und siedelt von Nordenham nach Geestemünde (Wesermünde) über. Auch die Verwaltung des Unternehmens zieht sich aus der Stadt Bremen zurück und wechselt nach Wesermünde. Zu diesem Zeitpunkt hat die "Nordsee" bereits die größte europäische Fischfangflotte aufgebaut - nach eigenen Angaben sogar die "Größte Hochseefischerei der Welt". Auch die Anzahl der Fischhandlungen und Restaurants wurde immer größer: 1934 sind es in Deutschland und Österreich zusammen über 160.
  • Auf dem Gelände der ehemaligen Tecklenborgwerft an der Geeste, beginnt der Bau der Marineschule.
  • Die 8. ordentliche Generalversammlung der "Deschimag" am 21. Juni nahm auch den Bericht des Vorstandes entgegen, in dem dieser schrieb, es ergebe sich ein Verlust von 1,277 Mio. RM. "Im vergangenen Geschäftsjahr hat sich die Lage des Welthandels und der Schiffahrt gegen das Jahr 1932 noch nicht gebessert. Umso lebhafter können wir es daher begrüßen, daß die neue Regierung es in klarer Erkenntnis dieser Tatsachen unternahm, der Schiffahrt zu helfen und es den Reedereien ermöglichte, den Werften Neubauaufträge zu geben und zahlreiche Verbesserungen an dem vorhandenen Schiffspark vorzunehmen zu lassen. Nach mehrjähriger Pause konnten wir in der zweiten Hälfte des abgelaufenen Geschäftsjahres für unser Werk in Bremen drei Schiffsneubauten von dem Norddeutschen Lloyd bzw. von der Hanseatischen Schiffahrts - und Betriebs- Gesellschaft m.bH., Bremen, in Auftrag nehmen..." "Ferner erhielten wir für unser Werk in Wesermünde den Auftrag auf einen Fischdampfer von der Reederei H. Siebert, Wesermünde."
  • Die ersten beiden Schiffe, die nach der Machtübernahme durch die Nazis auf der Seebeck-Werft gebaut und von der "Nordsee" in Auftrag gegeben wurden, trugen die Namen zweier Naziführer. Scheinbar meinte die "Nordsee" Deutsche Hochseefischerei AG, sich auf diese Weise bei den Nazis anbiedern zu müssen. Ein Fischdampfer erhielt den Namen "Carl Röver", benannt nach dem Gauleiter der NSDAP. Röver machte schon vor der Machtergreifung seine menschenverachtende Gesinnung deutlich, als er sagte: "Die Burschen werden noch was erleben, wenn Hitler an der Macht ist. Wir sagen euch, euch wird nichts geschenkt, ihr Lumpen und Volksverräter. Ich garantiere diesen Schweinenhunden, daß sie gehenkt werden, und wir werden sie solange hängen lassen, bis die Krähen sie gefressen haben."
  • 1933/34 setzte für die Seebeck-Werft ein langanhaltender wirtschaftlicher Aufschwung ein. Dieser resultierte unter anderem aus dem Ausbau der deutschen Hochseefischerei im Rahmen der nationalsozialistischen Autarkiepolitik.

 

1935

  • Der Gewerkschaftssekretär Paul Haltenhof hielt über den illegalen Eisenbahnerverband Kontakt zur "Internationalen Transportarbeiterförderation", die aus dem Ausland die Widerstandsarbeit der Gewerkschaften organisierte und ein engmaschiges Informationsnetz aufbaute. Haltenhof nahm 1935 als einer von 35 illegalen deutschen Gewerkschaftsfunktionären an einer Konferenz der Internationalen Transportarbeiterförderation teil.
  • Die Auktionen im Fischereihafen Bremerhaven (Westseite des Alten Hafens) werden am 01. Oktober eingestellt.
  • Gründung der Marineschule Wesermünde am 05. Oktober.
  • Gründung der Ersten Deutschen Walfang AG in Wesermünde.

 

1936

  • Das ehemalige Gewerkschaftshaus "Eintracht" fällt in die Hände eines Privatmannes.
  • Wesermünde zählt 78.685 Einwohner.
  • Der Konflikt mit der 1933 geschaffenen Deutschen Arbeitsfront (DAF) und die Veranlassung des regierenden Bremer Bürgermeister Otto Heider (NSDAP) führen am 31. März zur Auflösung der Arbeiter- und Angestelltenkammern.


1937

  • Die seit 1924 stillgelegte Rickmers-Werft nimmt ihren Betrieb am 23. Januar wieder auf. Da das NS-Regime die Vorbereitungen für einen Krieg traf, betrieb sie energisch die Aufrüstung der Wehrmacht und der Kriegsmarine. Während des zweiten Weltkriegs baute die Rickmers-Werft ausschließlich Wasserfahrzeuge für die Kriegsmarine.
  • Auf der Siegholdwerft im Fischereihafen wird das erste Schwimmdock an der Unterweser in Betrieb genommen.
  • Das Lloyd-Doppeldock im Alten Hafen muss auf Anordnung der Behörde stillgelegt werden und wird zugeschüttet. Der Gemeinschaftsvertrag mit der Abwrackgesellschaft wird gekündigt, da der große Hammerkran zukünftig von der Lloyd-Werft benötigt wird. Die Gemeinschaft verlegt sich daraufhin auf die andere Seite des Kaiserdocks.
    Ab 1. Juni gilt die GmbH als aufgelöst und die Werft wird wieder an die Reederei angegliedert und heißt wieder „Technischer Betrieb des Norddeutschen Lloyd“. Einen Monat später werden alle Bremerhavener Betriebe des NDL zusammengefasst unter dem Namen „Norddeutscher Lloyd, Geschäftsstelle Bremerhaven“.
    Am 31. Dezember erfolgt die Verlegung des Werftbetriebes auf das Kaiserhafengelände. Ein Teil des Betriebes mit der Verwaltung zieht in die vom Bremer Senat gepachteten und umgebauten F und G-Schuppen gegenüber den Kaiserdocks. Auch die Lloydagentur wird von der Lloydstraße in diese Schuppen an der Westseite des Verbindungshafens verlegt. Die Maschinenwerkstatt, Kesselschmiede, Schiffbauwerkstatt, Schmiede, Gießerei, Modelltischlerei, Kupferschmiede, Rohrschlosserei, Zimmerei, Bordmontage und Transportabteilung sowie Dockarbeiterabteilung erhielten neben den Docks neue Gebäude. Das Werftgelände erhielt ein gutes Straßennetz und rund 3 km Eisenbahngleise. Die Beschäftigung besserte sich etwas, neben den üblichen Dockarbeiten kamen zunehmend Unteraufträge für den Zerstörerneubau von der AG Weser.
    Die Belegschaftsstärke hat inzwischen wieder 1.000 Beschäftigte erreicht.
  • Am 7. Juni kentert der auf einer Probefahrt befindliche und auf der Seebeckwerft gebaute Walfänger "Rau III" bei der Ausführung eines Drehmanövers vor der Einfahrt zur Nordschleuse. Das Schiff sinkt und zwölf Menschen finden den Tod.
  • Wesermünde zählt 79.908 Einwohner.